Maschinenethik im Kassensaal

Am 2. Mai 2016 fand in Wien eine öffentliche Sitzung der österreichischen Bioethikkommission zum Thema „Von Mensch und Maschine: Roboter in der Pflege“ statt. Wegen des großen Andrangs war sie in den Kassensaal, wo früher Geldgeschäfte getätigt wurden, verlegt worden, einen prächtigen Saal der Bundesregierung. Zunächst trafen sich die Referenten zu einem Hintergrundgespräch mit Pressevertretern im Bundeskanzleramt am Minoritenplatz. Nach einem Mittagessen im Café Landtmann ging man in den Kassensaal hinüber. Die Vorsitzende der Bioethikkommission, Christiane Druml, eröffnete die Veranstaltung. Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft FHNW referierte zu Maschinen- und Informationsethik und zu ethischen Fragen des Einsatzes von Pflegerobotern. Er ist der Meinung, dass diese die persönliche Autonomie von Patienten verbessern, aber auch deren informationelle Autonomie verletzen können. Mark Coeckelbergh, inzwischen an der Universität Wien tätig, fragte nach den Anforderungen in der Pflege und wie Pflegeroboter, auch aus Sicht der Maschinenethik, dazu passen, und Michael Decker vom KIT in Karlsruhe präsentierte ein aktuelles Projekt in diesem Bereich. Grundsätzliche Technologiekritik übte Jutta Weber von der Universität Paderborn. Markus Wohlmannstetter von der Krankenanstalt Rudolfstiftung nahm die Perspektive der Pflegerinnen und Pfleger ein. Ina Wagner, Mitglied der Bioethikkommission, fasste die Ergebnisse zusammen. Im Anschluss stellten Mitglieder der Kommission und der Öffentlichkeit eine Stunde lang ihre Fragen, wobei nicht nur teilautonome Pflege-, sondern auch autonome Kampfroboter thematisiert wurden, deren Einsatz ein älterer Österreicher forderte, während Oliver Bendel sich dagegen aussprach, obwohl sie, wie er erklärte, nicht plündern, brandschatzen oder vergewaltigen, also auch gewisse Vorteile hätten. Am Ende wurden die Referenten, die der Alpenrepublik ihre Erkenntnisse honorarfrei übermittelt hatten, mit einem kräftigen Applaus verabschiedet. Weitere Informationen und Fotos über www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160503_OTS0014/bioethikkommission-diskutiert-den-einsatz-von-robotern-im-pflegebereich

 

Expertenbeiratssitzung zum Projekt QuartrBack

Das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe erforscht nach eigenen Angaben wissenschaftliche und technische Entwicklungen in Bezug auf systemische Zusammenhänge und Technikfolgen. Angesiedelt ist es am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Am 5. Februar 2016 fand am ITAS die zweite Sitzung des Expertenbeirats zum BMBF-Projekt QuartrBack statt. Ein technisches Entwicklungsziel ist die Programmierung einer Software, die in Echtzeit für jeden Benutzer – etwa einen Dementen – Risiken in seinem individuellen Sozialraum identifiziert und darauf aufbauend Bereiche definiert, in denen er sich risikoarm bewegen kann. Zudem erfolgt der Einsatz von miniaturisierten Ortungssendern, die – Stichwort Wearable Computing – in einer Uhr, im Gürtel oder im Schuh untergebracht werden können. Im Expertenbeirat findet laut Website der interdisziplinäre Diskurs statt, der den gesamten Projektprozess begleitet und der unter anderem die Kriterien für die Prototypen- und Feldtests entwickelt. Die wissenschaftliche, philosophische Ethik wird von Dr. Daniela Ringkamp (Institut für Philosophie der Universität Magdeburg) und Prof. Dr. Oliver Bendel (Institut für Wirtschaftsinformatik der Hochschule für Wirtschaft FHNW) vertreten.

Roboter in der Pflege

„Pflegeroboter unterstützen oder ersetzen menschliche Pflegekräfte bzw. Betreuerinnen und Betreuer. Sie bringen und reichen Kranken und Alten die benötigten Medikamente und Nahrungsmittel, helfen ihnen beim Hinlegen und Aufrichten oder alarmieren den Notdienst. Manche verfügen über natürlichsprachliche Fähigkeiten, sind lernende und intelligente Systeme.“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 12. Januar 2016) Der Beitrag von Oliver Bendel im Wirtschaftslexikon von Springer Gabler stellt Pflegeroboter vor, geht auf ihre Funktionen und Aufgaben ein, klärt die Anwendungsbereiche und nennt Beispiele wie Care-O-bot, Cody, Robear, HOBBIT und TWENDY-ONE. Auch die Perspektive der Ethik wird eingenommen: „Bereichsethiken wie Wirtschafts-, Medizin- und Informationsethik müssen Fragen dieser Art stellen: Wer trägt die Verantwortung bei einer fehlerhaften Betreuung und Versorgung durch die Maschine? Inwieweit kann diese die persönliche und informationelle Autonomie des Patienten unterstützen oder gefährden? Ist der Roboter in unpassender Weise umgesetzt, etwa in Form einer stereotyp dargestellten Krankenschwester? Ist er eine Entlastung oder ein Konkurrent für Pflegekräfte?“ (Gabler Wirtschaftslexikon, 12. Januar 2016) Der Beitrag ist am 12. Januar 2016 erschienen und kann über wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/pflegeroboter.html abgerufen werden.

Wasch mich, Robby!

„In der Pflege herrscht Fachkräftemangel. Pflegeroboter könnten das Problem lösen. Aber selbst wenn die Technik so weit sein sollte: Wollen sich Menschen tatsächlich von einer Maschine pflegen lassen?“ Mit diesen Worten beginnt ein Artikel von Stella Hombach im Ihre Gesundheitsprofis MAGAZIN. Befragt wurden Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz, der Wirtschaftsinformatiker sowie Informations- und Maschinenethiker ist, und Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Bendel hat nichts gegen den Einsatz von Pflegerobotern, wenn diese Pflegekräfte entlasten und den Wünschen von Pflegebedürftigen entgegenkommen. Auch die Intimsphäre könnte geschützt werden. Denn nicht „nur bei Routinetätigkeiten wie Einkaufen und Putzen“, so das Ergebnis von Untersuchungen und Befragungen, sondern auch beim Gang auf die Toilette und „beim Waschen im Intimbereich ziehen manche Patienten die Hilfe eines Roboters vor“ (Ihre Gesundheitsprofis MAGAZIN, 6. Januar 2016). Auch Knüppel hat gegen den Einsatz nichts einzuwenden. „Gerade beim Umlagern“, so wird sie zitiert, „ist jede Hilfe willkommen.“ (Ihre Gesundheitsprofis MAGAZIN, 6. Januar 2016) Wichtig ist beiden, dass der Patient mitreden darf. Der Artikel mit dem Titel „Beim Waschen lieber den Roboter“ kann über www.igp-magazin.de/beim-waschen-lieber-den-roboter/ aufgerufen werden.

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Abb.: Medikamente kann der Pflegeroboter auch bringen

Pflegeroboter und Schamgefühl

In „Forschung aktuell“ (Deutschlandfunk) wurde am 25. November 2015 der Beitrag „Die Moral der Maschinen“ gesendet. Volkart Wildermuth war am Vortag während der Berliner Konferenz „Roboterethik“ im Gespräch mit Prof. Dr. Jochen Steil, Prof. Dr. Catrin Misselhorn, Prof. Dr. Alin Albu-Schäffer und Prof. Dr. Oliver Bendel. Im Vorspann wird auf Roboter in der Science-Fiction eingegangen. Die Roboter der Wirklichkeit seien fleißig dabei, ihren Kollegen nachzueifern. Dabei würden sich aber moralische Herausforderungen ergeben. Catrin Misselhorn erzählt, dass es ihrer Großmutter nicht recht gewesen sei, wenn der Pflegedienst sie im Intimbereich gewaschen habe. „Ich könnte mir vorstellen, dass ihr in diesem Fall es recht gewesen wäre, wenn ein Roboter diese Tätigkeit übernommen hätte.“ In eine ähnliche Richtung weist eine Befragung, die von der Hochschule für Wirtschaft FHNW durchgeführt wurde. Zu Roboterautos stellt der Maschinenethiker Oliver Bendel fest: „Ich denke, der Mensch sollte bestimmte Entscheidungen selbst treffen, selbst wenn sie falsch sind.“ Für ihn sind dies Entscheidungen über Leben und Tod von Menschen, wie sie in Dilemmata diskutiert werden. Er schlägt grundsätzlich vor, den normalen Verkehr und den autonomen Verkehr soweit wie möglich voneinander zu trennen und Roboterautos zu beschränken. Fußgänger und Fahrradfahrer in Städten sollten sich nicht permanent auf autonome Autos einstellen und ihr Verhalten an diese anpassen müssen. Der Beitrag kann über www.deutschlandfunk.de/forschung-aktuell.675.de.html abgerufen werden.

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Abb.: Beseitigt der Pflegeroboter das Schamgefühl?

Sollen uns Roboter pflegen?

Unter diesem Titel ist am 9. September 2015 ein Artikel von Oliver Bendel in der Zeitschrift IT for Health erschienen. Operations-, Pflege- und Therapieroboter verbreiten sich immer mehr. Zwei Studierende an der Hochschule für Wirtschaft FHNW, Christine Fahlberg und David Wenger, haben in einem Forschungsbeitrag im Rahmen eines Masterstudiengangs untersucht, ob Patienten unter bestimmten Umständen lieber von Maschinen als von Menschen betreut und begleitet werden wollen. Tatsächlich scheint dies der Fall zu sein, wenn Privat- und Intimsphäre geschützt werden können, wenn man etwa vom Pflegeroboter im Intimbereich gewaschen wird. Als Gesprächspartner und Kontaktperson lehnt man diesen eher ab. Die Perspektive der Patienten wird in einschlägigen Studien selten eingenommen, und überhaupt sind Würde, Intim- und Privatsphäre sowie Datensicherheit kaum ein Thema, auch wenn es immer wieder ethische Betrachtungen gibt. Der Artikel fasst die Ergebnisse der beiden Masterstudierenden zusammen und kündigt weitere Untersuchungen an, bei denen auch die Maschinenethik eine Rolle spielen soll. Informationen zum Heft sind über www.netzmedien.ch/de-CH/medien-plattformen/itforhealth verfügbar. Eine Onlineversion ist in der Netzwoche über www.netzwoche.ch/de-CH/News/2015/09/10/E-Health-Prozesse-auf-dem-Operationstisch.aspx erschienen.

CareAbb.: Im Health Care geht es auch um moralische, sittliche und soziale Werte

Moralische Pflegeroboter

Operations-, Pflege- und Therapieroboter verbreiten sich immer mehr. Im Englischen werden sie als „medical and care robots“ bezeichnet, im Deutschen kann man die meisten mit dem Etikett des medizinischen Roboters versehen und zumindest Pflege- und Therapieroboter als Serviceroboter begreifen. Zwei Studierende von Prof. Dr. Oliver Bendel an der Hochschule für Wirtschaft FHNW, Christine Fahlberg und David Wenger, haben in einem Forschungsbeitrag im Rahmen eines Masterstudiengangs untersucht, ob Patienten unter bestimmten Umständen lieber von Robotern als von Menschen betreut und begleitet werden wollen. Tatsächlich scheint dies der Fall zu sein, wenn Privat- und Intimsphäre geschützt werden können. Wenn man Kontakt und Beistand sucht, lehnt man Pflege- und Therapieroboter eher ab. Die Perspektive der Patienten wird in einschlägigen Studien selten eingenommen, und überhaupt sind Würde, Intim- und Privatsphäre sowie Datensicherheit kaum ein Thema, auch wenn es immer wieder ethische Betrachtungen gibt. Diese Forschungslücke soll mit weiteren Untersuchungen geschlossen werden. Dabei spielt auch die Maschinenethik eine Rolle: Sollen Pflege- und Therapieroboter moralische Maschinen sein und entsprechend gestaltet werden? In dem Artikel „Reflections on the Development and the Design of Medical and Care Robots“ von Oliver Bendel, abrufbar über gbs-schweiz.org, werden erste Hinweise geliefert.

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Abb.: Erste Hilfe kann vielleicht auch der Roboter leisten

Machine Medical Ethics

Im September 2014 erscheint das Buch „Machine Medical Ethics“, herausgegeben von Simon Peter van Rysewyk und Matthijs Pontier. Es ist einem Teilgebiet der Maschinenethik und der Medizinethik gewidmet. In der Ankündigung von Springer heißt es: „The essays in this book, written by researchers from both humanities and science, describe various theoretical and experimental approaches to adding medical ethics to a machine, what design features are necessary in order to achieve this, philosophical and practical questions concerning justice, rights, decision-making and responsibility in medical contexts, and accurately modeling essential physician-machine-patient relationships.“ Es werden Fragen dieser Art aufgeworfen: „What theory or theories should constrain medical machine conduct? What design features are required? Should machines share responsibility with humans for the ethical consequences of medical actions? How ought clinical relationships involving machines to be modeled? Is a capacity for empathy and emotion detection necessary?“ Oliver Bendel geht auf „Surgical, Therapeutic, Nursing and Sex Robots in Machine and Information Ethics“ ein. Weitere Essays von KI-Experten, Robotikern, Informatikern und Philosophen sind „Do Machines Have Prima Facie Duties?“, „Moral Ecology Approaches to Machine Ethics“ und „Ethics of Robotic Assisted Dying“. Der Herausgeberband kann bei Springer bestellt werden.

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Abb.: Cover des Buchs „Machine Medical Ethics“

MOOC zur Technikethik

Der Coursera-Kurs „Technology and Ethics“ von Robert Bailey (The Ohio State University) findet ab 21. April 2014 statt und dauert sieben Wochen. Das Arbeitspensum beträgt laut Anbieter 3 bis 5 Stunden pro Woche, die Sprache ist Englisch. Der Kursinhalt wird wie folgt beschrieben: „Example technologies at play today include nuclear energy; biological manipulations for warfare; robots for taking care of the elderly, and enhancing human capability; the use of technology for surveillance; the cultural changing power of the media which can create unlimited arrays of images real and virtual to support a point of view; and the internet with its world wide connectivity.“ (Website des Anbieters) Ob im Falle der Pflege- und Haushaltsroboter auch die Maschinenethik einbezogen wird, ist nicht bekannt. Die Medizinethik wird sicherlich berücksichtigt. Weitere Informationen über https://www.coursera.org/course/techethics.

Machine Ethics in the Context of Medical and Care Agents

Steve Torrance, Mark Coeckelbergh, Johnny Soraker, Blay Whitby und Aimee van Wynsberghe haben als Organisationskomitee einen Call for Abstracts mit dem Titel „Machine Ethics in the Context of Medical and Care Agents“ veröffentlicht. Sie schreiben auf der Website der International Society for Presence Research: „We are pleased to announce a Symposium on Machine Ethics in the Context of Medical and Care Agents, as part of the AISB-50 Annual Convention 2014 to be held at Goldsmiths, University of London, between April 1st and 4th, 2014 … The Convention is organised by the Society for the Study of Artificial Intelligence and Simulation of Behaviour (AISB) (http://www.aisb.org.uk).“ Im Programmkomitee sind Michael Anderson, Patrick Lin, Wendell Wallach und andere Pioniere der Maschinenethik. Schwerpunkte sind u.a. „Theoretical issues in Machine Ethics/Ethics of Robotics, concerning MCAs“, „Practical issues in Machine Ethics/Ethics of Robotics, with respect to the health and social care fields“ und „The nature, scope and limitations of MCAs: immediate, medium and long-term issues“. Beiträge können bis zum 3. Januar 2014 eingereicht werden. Weitere Informationen über http://ispr.info.

Call für Buchprojekt „Machine Medical Ethics“

Ein Call for Chapters ist für einen Sammelband mit dem Titel „Machine Medical Ethics“ herausgekommen. Die Herausgeber sind Dr. Matthijs Pontier (The Centre for Advanced Media Research (CAMeRA), Vrije Universiteit Amsterdam) und Simon van Rysewyk (School of Humanities, University of Tasmania). Im Aufruf heißt es: „The new field of Artificial Intelligence called Machine Ethics is concerned with ensuring that the behaviour of machines towards human users and other machines is ethical. This unique edited collection aims to provide a platform for researchers in this field to present new research and developments in Machine Medical Ethics.“ Bis zum 10. Juni 2013 kann Interesse an einer Mitarbeit angemeldet werden. Der vollständige Beitrag muss bis 10. Oktober bei den Herausgebern sein. Das Buch erscheint 2014. Informationen über http://medicalhumanities.wordpress.com.

Abb.: Die Maschinenethik im Bereich der Medizin