„Das automatisierte Fahren besitzt das Potenzial, den Straßenverkehr erheblich sicherer zu machen. Es wirft allerdings eine Vielzahl von ethischen und juristischen Fragen auf, die einer weiteren erfolgreichen Markteinführung der neuen Systeme im Wege stehen könnten, wenn sie nicht gelöst oder zumindest geklärt werden. Das Spektrum reicht von Fragen der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit über den Datenschutz bis hin zu Grundlagenproblemen, bei denen sich rechtliche und moralische Perspektiven überschneiden. Dazu gehören etwa Leben-gegen-Leben-Entscheidungen, aber auch die Frage, welchen Grad an Risiko eine Gesellschaft im Straßenverkehr zu akzeptieren bereit ist. Außerdem ist zu klären, ob der Staat über die Technologien des automatisierten und vernetzten Fahrens nicht wesentlich stärker in den Straßenverkehr eingreifen sollte, um die Gefahr von Unfällen zu minimieren.“ (Abstract) In seinem Beitrag für das „Handbuch Maschinenethik“ widmet sich Eric Hilgendorf als einer der führenden Experten für Roboterrecht dem automatisierten und autonomen Fahren. Der Informations- und Maschinenethiker Oliver Bendel ist Herausgeber des Buchs, das im Oktober 2019 bei Springer VS erschienen ist.
Im Technoseum in Mannheim diskutierten am 21. Juni 2017 ab 18 Uhr Dr. Thomas Meyer, KIT-Zentrum für Mobilitätssysteme, und Prof. Dr. Oliver Bendel, Hochschule für Wirtschaft FHNW, zunächst zu technischen und rechtlichen Fragen rund um das automatisierte Fahren und das autonome Auto. Es moderierte Prof. Dr. Kurt Möser vom KIT. Oliver Bendel machte schon am Anfang seine Position klar: Vollautomatisiertes und autonomes Fahren gehört auf die Autobahn, nicht in den Stadtverkehr, außer man führt eine starke Geschwindigkeitsbeschränkung und spezielle Fahrspuren ein, was vor allem für Shuttles ein probates Mittel ist. Als die Abteilungsleiterin Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Stefanie Roth, nach der Lösung für moralische Dilemmata fragte, wurde das im Titel der Veranstaltung versprochene ethische Thema aufgegriffen. Wen soll das Auto bei einem Unfall töten, wen nicht? Oliver Bendel konnte als Maschinenethiker den Kreis mit einem klaren Statement schließen: Es gibt keine Lösung. Das Auto sollte klassische und unklassische Dilemmata und überhaupt Situationen, in denen es um Leben und Tod mehrerer Menschen geht, nicht aufzulösen versuchen, weder durch Qualifizieren noch durch Quantifizieren. Genau deshalb gehört es auf die Autobahn, wo Fußgänger und Fahrradfahrer fehlen und wo man dank der integrierten und kommunizierenden Systeme für höchste Sicherheit sorgen kann. In der Stadt ist technisches und moralisches Scheitern vorprogrammiert. Dr. Thomas Meyer konnte aus der eigenen Arbeit am KIT und von den Einstellungen und Erwartungen der Ingenieure berichten. Erst gegen 20 Uhr löste sich die Veranstaltung ganz auf.
Abb.: Wenn sich die Kreuzung belebt, wird es schwierig
Nele Würzbach von Noizz.de hat mit Oliver Bendel ein Interview zu autonomen Autos geführt, das am 5. Juni 2017 in dem Magazin aus Berlin veröffentlicht wurde. Eine Frage lautete, ob wir eines Tages während der Fahrt schlafen können. Die Antwort des Informations- und Maschinenethikers lautete: „Wenn wir das teil- und hochautomatisierte Fahren hinter uns gelassen haben und zum vollautomatisierten bzw. autonomen Fahren gekommen sind, können wir in der Tat während der Fahrt schlafen. Das Innenleben des Autos müsste entsprechend gestaltet werden, es bräuchte Liegesitze, verdunkelbare Scheiben etc. Es bräuchte zudem Konzepte für Gefahrensituationen. Vom Tiefschlaf bis zur vollen Denk- und Urteilsfähigkeit kann es eine Weile dauern. Ich denke, dass diese Vision bei PKW frühestens in zehn Jahren umgesetzt werden kann, und auch nur auf der Autobahn. Es sind übrigens nicht nur technische, sondern ebenso psychologische Aspekte zu bedenken. Man müsste ein Zutrauen zu den Fahrzeugen fassen, das dem Zutrauen zu Flugzeugen entspricht. Man müsste lernen, in einer Situation zu schlafen, die bisher unsere höchste Aufmerksamkeit beansprucht hat.“ Der Beitrag mit dem Titel „Kann man bald am Steuer schlafen?“ – davon, dass es auch künftig noch ein Steuer gibt, kann ausgegangen werden – kann über noizz.de/motor/wie-realistisch-ist-autonomes-fahren-wirklich/cd96p7y aufgerufen werden.
Abb.: In diesem Auto konnte man schon früher schlafen
Die Daimler und Benz Stiftung fördert das neue Projekt „AVENUE21 – Autonomer Verkehr: Entwicklungen des urbanen Europa“. Aus der Pressemitteilung: „Ein interdisziplinäres Wissenschaftlerteam geht der Frage nach, wie sich europäische Städte durch das autonome Fahren entwickeln werden – und welchen Einfluss umgekehrt Stadtstrukturen auf die Entwicklung des autonomen Verkehrs nehmen.“ (Pressemitteilung DBS, 31. Januar 2017) „Das autonome Fahren“, so die These von Mathias Mitteregger von der Fakultät für Architektur und Raumplanung der TU Wien, „wird die Morphologie der Städte, die Art der Stadtgesellschaften und die urbane Governance entscheidend verändern“ (Pressemitteilung DBS, 31. Januar 2017). Dieser These stimmt Oliver Bendel, der im September 2017 den Ladenburger Diskurs zu Pflegerobotern durchführt, der ebenfalls von der gemeinnützigen Stiftung finanziert wird, grundsätzlich zu. Allerdings fordert er, dass PKW in den Städten nicht autonom fahren dürfen. Es gibt dort zu viele bewegte und unbewegte Gegenstände, die zu berücksichtigen sind, zudem Signale, Reflexe und Schatten. Und natürlich ungeschützte Menschen und Tiere. Zudem ist Fahren in der Stadt ständige Kommunikation. Menschen können sich mit einem Blick in die Augen und einem Wink verständigen – Maschinen und Menschen nicht. Natürlich kann man die Städte, wie es schon einmal geschehen ist, für das Auto umbauen. Nach der Meinung von Oliver Bendel sollte man aber das Gegenteil tun: Man sollte sie Fußgängern und Fahrradfahrern zurückgeben. So oder so ist Forschung in diesem Bereich dringend notwendig.
Die Ethikkommission von Alexander Dobrindt hat erste Ergebnisse vorgelegt. Im Interview mit Philipp Vetter von der Welt ging Oliver Bendel unter anderem auf die Forderung ein, dass im Straßenverkehr stets Menschen- vor Tierleben stehen soll. Der Forscher konzentriert sich in seiner Arbeit zu Fahrerassistenzsystemen und autonomen Autos auf das Tierwohl und schlägt vor, das Wohl von Menschen vor allem dadurch sicherzustellen, indem das autonome Fahren auf der Autobahn stattfindet. Am Telefon gab er zur Auskunft: „Natürlich sollte ein autonomes Auto, wenn es nicht mehr ausweichen kann, im Zweifel das Tier überfahren und nicht den Menschen. Das sehen auch die meisten Tierschützer so, zu denen auch ich gehöre. Vereinzelt mag es aber Menschen geben, die sagen: Mein Hund ist mir wichtiger als mein Nachbar. Das ist sicher eine Minderheit.“ Der Wirtschaftsinformatiker, Informationsethiker und Maschinenethiker kritisiert seit langem, dass Ethikkommissionen in Deutschland stark von Theologen und insbesondere Moraltheologen bestimmt sind. Diese können meist weder etwas zur Sache beitragen noch zur Frage der Moral aus wissenschaftlicher Sicht wie Moralphilosophen. Sie argumentieren mit Vorannahmen, über die man nicht vernünftig sprechen kann, und neigen zu Formen des Moralismus. Im Gespräch stellte er fest: „Meiner Meinung nach ist die Ethikkommission falsch besetzt. Mir leuchtet nicht ein, welche Kompetenz ein Kirchenvertreter beim Thema autonomes Fahren haben soll.“ Der Artikel, der auf diesen und anderen Aussagen aufbaut, kann über www.welt.de/wirtschaft/article160551011/Autonome-Autos-sollen-zuerst-Fussgaenger-schuetzen.html aufgerufen werden.
In der neuen Ausgabe von RED, dem Magazin der Schweizer Börse SIX, sind Frank M. Rinderknecht von Rinspeed und Prof. Dr. Oliver Bendel von der Hochschule für Wirtschaft FHNW im Gespräch. Bereits im Juli 2016 traf man sich in der Werkstatt in Zumikon, in der es von futuristischen Fahrzeugen nur so wimmelt. Man stieg in diese hinein und aus diesen wieder heraus – und rollte zusammen die mächtigen Räder. Die Bilder dazu findet man in dem vierseitigen Beitrag mit dem Titel „Wie viel Mensch soll in der Maschine stecken?“. Iris Kuhn-Spogat fragte im Büroraum bei Kaffee und Wasser nach autonomen Autos, maschinellen Entscheidungen und verrückten Erfindungen. Ihre Gesprächspartner waren sich in vielen Dingen einig. Man liebt das Spielerische, Verrückte, man versucht das scheinbar Unmögliche, bei der Entwicklung von Roboterautos und Amphibienfahrzeugen sowie von guten und bösen Chatbots. SIX und Rinspeed haben schon mehrmals zusammengearbeitet. Ein Video – abrufbar über six.swiss/rinspeed – gibt Einblicke, nicht zuletzt in die Werkstatt. Auch Oliver Bendel und die Finanzexperten haben sich bereits einmal getroffen, bei seinem Vortrag über Maschinenethik an der Börse in Zürich. Der Beitrag wurde von den Verantwortlichen freundlicherweise zur Verfügung gestellt und kann als PDF heruntergeladen werden.
„Das Auto hat sich und seine Umwelt immer wieder stark verändert. Am Anfang versuchte man, die Kutsche nachzuahmen, und fast wie in den Jahrhunderten zuvor holperte und wankte man über das Pflaster. Dann entdeckte man die Stromlinienförmigkeit, duckte sich in den Fahrerraum hinein, wand sich aus dem Sitz heraus. In die Lücke, die die Steine hinterlassen hatten, floss der Asphalt. Die Städte wurden umgebaut. Sie wurden so autofreundlich, dass der Gehsteig in manchen Ländern zum Strich verkam, auf dem man sich vorsichtig zwischen Verkehr und Mauer vorwärts bewegte. Vorwärts, vor allem im Sinne des Fortschritts, das war die Devise, bis man die Innenstädte wieder für die Fußgänger erschloss und Fußgängerzonen entstanden. Dann tat sich eine Weile nichts. Autoindustrie und Stadtplaner wirkten müde und schwach. Bis die Idee des autonomen Autos geboren wurde.“ So beginnt ein Artikel zu Roboterautos und zur Maschinenethik von Oliver Bendel, erschienen am 9. September 2016 im Tagesspiegel, der traditionsreichen Zeitung aus Berlin, für Berlin und ganz Deutschland. Er kann über https://causa.tagesspiegel.de/die-suche-nach-dem-moralmodul.html abgerufen werden.
Beim DVR-Forum „Automatisiertes Fahren und Ethik“ wurde ein Film gedreht, der im Juli 2016 zur Verfügung gestellt wurde. Man kann ihn über www.youtube.com/watch?v=SH_9kr6fZK8 aufrufen. Zudem hat der Veranstalter Texte und Fotos über www.dvr.de veröffentlicht. Das DVR-Forum fand am 14. Juni 2016 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte statt. Der Untertitel „Welche Entscheidungen wollen wir Maschinen überlassen?“ deutete den Schwerpunkt an. An der Podiumsdiskussion nahmen Prof. Dr. Oliver Bendel (Hochschule für Wirtschaft FHNW), Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf (Universität Würzburg), Prof. Dr. Jürgen Leohold (Volkswagen AG), Prof. Dr. Volker Lüdemann (Hochschule Osnabrück) und Prof. Klaus Kompaß (BMW Group) teil. Es moderierte Monika Jones von der Deutschen Welle. Weitere Informationen über www.tag-der-verkehrssicherheit.de.
Der tödliche Unfall mit einem Tesla Model S vom Mai 2016, der derzeit durch die Medien geht, wurde vom Hersteller am 30. Juni 2016 wie folgt beschrieben: „What we know is that the vehicle was on a divided highway with Autopilot engaged when a tractor trailer drove across the highway perpendicular to the Model S. Neither Autopilot nor the driver noticed the white side of the tractor trailer against a brightly lit sky, so the brake was not applied. The high ride height of the trailer combined with its positioning across the road and the extremely rare circumstances of the impact caused the Model S to pass under the trailer, with the bottom of the trailer impacting the windshield of the Model S.“ (Tesla-Blog, 30. Juni 2016) Demnach kamen zwei Umstände zusammen. Zum einen ist der Sattelzug senkrecht auf den Highway getroffen bzw. hat senkrecht zum Automobil gestanden. Eine ähnliche Situation könnte sich mit LKW und PKW in europäischen Städten ständig ergeben, auf europäischen Autobahnen dagegen kaum. Zum anderen hat sich die Kamera täuschen lassen und, von unten her aufnehmend, die weiße Fläche des Fahrzeugs mit dem hellen Himmel dahinter gleichgesetzt. Dies zeigt einmal mehr, dass Kameras nur bedingt eine geeignete Technik für automatische und autonome Autos sind und in jedem Falle mit verschiedenen anderen Systemen wie Radar und LiDAR kombiniert werden müssen. Kameras kann man leicht täuschen und täuschen sich leicht. Im Tesla Model S ist eine komplexe Sensorik verbaut (Kameras, Radar, Ultraschall). Allerdings besteht offenbar Verbesserungsbedarf, und was das optische System wahrnimmt, muss unbedingt durch ein anderes geeignetes System überprüft werden. Zusätzlich könnten die Hersteller konventioneller PKW und LKW in die Pflicht genommen werden. In Zukunft sind graue, weiße oder blaue Karosserien und Sattelauflieger vielleicht zu vermeiden.
Abb.: Auch die Fläche dieses LKWs könnte verwechselt werden
Das Bayerische Fernsehen (BR Fernsehen) hat Oliver Bendel im Mai 2016 ins Verkehrszentrum des Deutschen Museums nach München eingeladen und dort ein Gespräch mit ihm geführt. „Mit über 4500 Exponaten zählen die Sammlungen des Landverkehrs zu den größten, wertvollsten und ältesten Sammlungen des Deutschen Museums.“ (Website Verkehrszentrum) Es ging um autonome Autos und den Verkehr der Zukunft. Der Philosoph und Wirtschaftsinformatiker sprach sich dafür aus, die Autobahnen dafür vorzusehen und die Städte weitgehend zu verschonen. Im Museum war ein Prototyp von Daimler ausgestellt, bei dem das autonome Fahren bereits Mitte der 90er-Jahre mit Hilfe von Fernsehkameras realisiert wurde. Im Ankündigungstext wird unter dem Titel „Auch eine Frage der Moral“ der Inhalt des Films skizziert und auf Dilemmata eingegangen: „Es gibt viele offene Fragen: Wie verhält sich ein autonomes Fahrzeug in einer Gefahrensituation? Was macht das Auto, wenn plötzlich ein kleines Mädchen vor ihm auf die Straße läuft? Was, wenn der Fahrer das Kind nur verschonen kann, indem er ausweicht, aber dadurch zum Beispiel einen Senioren gefährdet? Ist ein junges Leben mehr wert als ein älteres?“ (Website BR) Das Gespräch mit Oliver Bendel führte Patrick Lerch, ausgestrahlt wird der Beitrag voraussichtlich – ursprünglich eingeplant für den 1., dann für den 8. Juni 2016 – am 13. Juli 2016. Weitere Informationen über www.br.de.
Das DVR-Forum „Automatisiertes Fahren und Ethik“ findet am 14. Juni 2016 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften statt. Der Untertitel „Welche Entscheidungen wollen wir Maschinen überlassen?“ deutet den Schwerpunkt an. In der Beschreibung heißt es: „Schon heute werden wir durch Assistenzfunktionen beim Autofahren unterstützt. Diese helfen, Unfälle zu vermeiden oder deren Folgen zu vermindern. In nicht allzu ferner Zukunft werden hochautomatisierte Fahrfunktionen folgen: Das Fahrzeug übernimmt – zunächst zeitweise – die Fahraufgabe, es gibt Gas, lenkt und bremst. Die Fahrenden können sich in dieser Zeit anderweitig beschäftigen und müssen die Fahrsituation nicht überwachen. Doch was geschieht beim hochautomatisierten Fahren in einem Notfall, wenn sich ein Unfall nicht mehr vermeiden lässt?“ Und weiter: „In solchen Situationen müssen die Fahrzeuge in Sekundenbruchteilen Entscheidungen treffen. Dafür müssen sie programmiert werden, Menschen müssen festlegen, wie das Auto reagieren soll. In rasender Geschwindigkeit kann die Maschine viele Möglichkeiten durchspielen und die Reaktion auswählen, die den größten Erfolg – bzw. den geringsten Schaden – verspricht. An der Podiumsdiskussion nehmen Prof. Dr. Oliver Bendel (Hochschule für Wirtschaft FHNW), Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf (Universität Würzburg), Prof. Dr. Jürgen Leohold (Volkswagen AG), Prof. Dr. Volker Lüdemann (Hochschule Osnabrück) und Prof. Klaus Kompaß (BMW Group) teil. Es moderiert Monika Jones von der Deutschen Welle. Weitere Informationen über www.tag-der-verkehrssicherheit.de.