Von Lio erfahren hat Prof. Dr. Oliver Bendel kurz nach der „Geburt“ des Assistenzroboters für die Pflege. Ende 2016 nahm er Kontakt mit Michael Früh auf, dem späteren CEO des Herstellers F&P Robotics, und lud ihn im Auftrag der Daimler und Benz Stiftung zum Ladenburger Diskurs 2017 zu Pflegerobotern ein. Aus diesem ging das Buch „Pflegeroboter“ hervor, das ein Bestseller wurde. Auch Lio ist darin ein Beitrag gewidmet. 2019 war F&P Robotics zu Gast beim Berliner Kolloquium zu Pflegerobotern, das ebenfalls von Oliver Bendel im Auftrag der Stiftung ausgerichtet wurde. Mit Alina Gasser und Joel Siebenmann von F&P Robotics verfasste der Wirtschaftsinformatiker und Technikphilosoph das Paper „Co-Robots as Care Robots“ … Es wurde beim AAAI 2020 Spring Symposium „Applied AI in Healthcare: Safety, Community, and the Environment“ angenommen und dort vorgestellt. 2022 entwickelte Marc Heimann nach den Ideen von Oliver Bendel ein Moralmodul für den Roboter, das von dem Unternehmen wohlwollend aufgenommen wurde. Der Patient kann mit Hilfe eines Moralmenüs seine moralischen und sozialen Vorstellungen in einfacher Weise auf die Maschine übertragen. Am 6. Oktober 2023 erschien im Bref-Magazin eine Reportage mit dem Titel „Roboter für das Volk“ zu Lio, in der auch Oliver Bendel zu Wort kommt. Sie kann hier aufgerufen werden.
Abb.: Roboter können Pflegekräfte unterstützen (Bild: Ideogram)
Am 13. Dezember 2022 begann die ICSR, neben der Robophilosophy die bedeutendste Konferenz zur Sozialen Robotik. Oliver Bendel und Marc Heimann sind mit ihrem Paper „The CARE-MOMO Project“ vertreten. Sie stellten es gleich am Morgen beim Workshop „Robot Companionship: Applications and Challenges“ in einem Vortrag vor. Zudem hatten sie am Donnerstag (15. Dezember 2022) eine Posterpräsentation dazu. Mithilfe des Moralmoduls, das das bewährte Moralmenü enthält, können Pflegebedürftige ihre moralischen und sozialen Vorstellungen auf einen Pflegeroboter wie Lio von F&P Robotics übertragen. Der Vortrag fand viel Anklang im vollbesetzten Raum, auch beim Chair, der den Ansatz sehr interessant fand, wie er mehrmals betonte. Das Programm des Workshops kann hier heruntergeladen werden. Weitere Informationen zur Konferenz, die dieses Jahr in Florenz stattfindet, sind über www.icsr2022.it erhältlich.
Abb.: Ein Roboter von PAL Robotics bei der ICSR 2022
Seit 2012 wurden von Prof. Dr. Oliver Bendel und seinen Teams 13 Artefakte der Maschinenethik und Sozialen Robotik entwickelt, vor allem Prototypen (Chatbots, Sprachassistenten und tierfreundliche Maschinen). Dabei verwendeten sie in mehreren Fällen eigene Ansätze wie annotierte Entscheidungsbäume und das Moralmenü (MOME). Das jüngste Ergebnis ist das CARE-MOMO („MOMO“ steht für „Morality Module“ bzw. „Moralmodul“), das von Marc Heimann an der Hochschule für Wirtschaft FHNW umgesetzt wurde und den Assistenzroboter Lio von F&P Robotics erweitern soll. Es baut auf dem MOME von 2019/2020 auf, das auf der Robophilosophy vorgestellt wurde. Mit Hilfe von Schiebereglern auf dem Display von Lio kann der Pflegebedürftige (bei Bedarf zusammen mit der Pflegekraft oder dem Angehörigen) seine Präferenzen wählen und so auf einfache Weise seine moralischen und sozialen Vorstellungen und grundsätzlichen Haltungen übertragen. Implementiert wurde ein Moralmenü, das die drei Bereiche „Soziales“, „Transparenz“ und „Funktionalität“ umfasst. Unter „Soziales“ findet sich die Frage „Soll Lio diskret sein, wenn ich in einer intimen Situation bin?“. Der Roboter soll sich gegebenenfalls wegdrehen oder zeitweise ausschalten. Der Bereich „Transparenz“ enthält die Frage „Soll Lio mitteilen, wenn die Kamera eingeschaltet oder benutzt wird?“. Ende Oktober 2022 wurde das CARE-MOMO bei F&P Robotics in Glattbrugg bei Zürich präsentiert. Der CEO Michael Früh zeigte sich interessiert, einzelne Elemente des Moralmoduls bei Lio zu übernehmen. In den kommenden Wochen wird dies im Einzelnen geprüft. Am 15. Dezember findet eine Demonstration des CARE-MOMO durch Oliver Bendel und Marc Heimann bei der ICSR statt, einer der führenden Konferenzen der Sozialen Robotik. Dieses Mal trifft man sich in Florenz. Bereits zwei Tage vorher stellt der Maschinenethiker die Erfindung und ihre Geschichte in einem Vortrag auf einem der Workshops vor.
Die Abschlussarbeit von Marc Heimann mit dem Titel „CARE-MOMO“ beschreibt die Implementierung eines Moralmoduls für den Pflegeroboter Lio. Damit werden frühere Projekte fortgesetzt, vor allem die Entwicklung eines Moralmoduls für einen Chatbot (MOBO-MOME) aus dem Jahre 2020. Die Forschungsfrage lautet: „Welche moralischen Probleme treten beim Einsatz eines Pflegeroboters wie Lio auf und wie kann eines von ihnen mithilfe von Ansätzen der Maschinenethik gelöst werden?“ (Abstract Bachelorarbeit) „Durch Expertengespräche mit der Firma F&P Robotics AG und Interviews mit Mitarbeitenden, welche Lio täglich nutzen, konnten einige dieser moralischen Probleme identifiziert werden. Auch bereits bekannte moralische Problemsituationen von Robotern in der Pflege wurden durch wissenschaftliche Literaturrecherche der Sammlung hinzugefügt.“ (Abstract Bachelorarbeit) Des Weiteren wurden die Akzeptanz gegenüber und das Interesse an Robotern in der Pflege analysiert. Mit dem gesammelten Wissen entwickelte Marc Heimann anschließend einen „Prototyp eines Moralmoduls …, welches ein Moralmenü beinhaltet, das den Benutzer Lios Verhalten … individuell anhand der moralischen Probleme anpassen lässt“, und zwar auf einfache Weise mit Hilfe von Schiebereglern. Zur Verfügung stehen die Bereiche Soziale Aspekte, Transparenz und Funktionalität. „Umgesetzt wurde das Moralmodul als Webservice, damit Lio es in Zukunft auf einem Tablet zur Verfügung stellen kann.“ (Abstract Bachelorarbeit) Dabei kann es sich um das integrierte Display oder ein separates Tablet handeln. Im Herbst werden die Ergebnisse dem Unternehmen vorgestellt, das in Glattbrugg bei Zürich seinen Sitz hat. Ein Video zum Projekt findet sich in der Videosektion oder direkt auf YouTube.