Das aktuelle Magazin des Zürcher Tierschutzes bringt ein zweiseitiges Interview mit Prof. Dr. oec. HSG Oliver Bendel zu seiner Forschung über tierfreundliche Maschinen. Geführt hat es Dr. sc. ETH Bea Roth. Der Informations- und Maschinenethiker beobachtet seit Jahren, dass sich teilautonome und autonome Maschinen immer mehr verbreiten, bei den Folgen aber vor allem an den Menschen gedacht wird. Robotik und Künstliche Intelligenz sind geradezu stolz darauf, auf unsere Bedürfnisse zu fokussieren, und vergessen dabei oft die von Tieren. Dabei könnte man z.B. Haushaltsroboter auf eine einfache Weise tierfreundlich gestalten. Oliver Bendel hat mit seinen jeweiligen Teams in diesem Bereich Prototypen wie LADYBIRD und HAPPY HEDGEHOG entwickelt. Zudem hat er ein System für die Gesichtserkennung bei Bären in den Alpen konzipieren lassen. Seine Vision ist, dass in riesigen Naturparks die Wildtiere in Ruhe gelassen und allenfalls von Robotern beobachtet und zur Not versorgt werden. Das ZT-Magazin steht auch online zur Verfügung.
Abb.: Auch Elefanten können von Maschinen profitieren
Gesichtserkennung ist eine problematische Technologie, vor allem wenn sie für die Überwachung von Menschen eingesetzt wird. Sie hat allerdings auch Potenzial, etwa mit Blick auf die Erkennung von (Individuen von) Tieren. Prof. Dr. Oliver Bendel hatte 2021 an der Hochschule für Wirtschaft FHNW das Thema „ANIFACE: Animal Face Recognition“ ausgeschrieben und die Wahl gelassen, ob es um Wölfe oder Bären gehen sollte. Ali Yürekkirmaz nahm den Auftrag an und konzipierte in seiner Abschlussarbeit ein System, mit dem man in den Alpen – ohne elektronische Halsbänder oder implantierte Microchips – einzelne Bären identifizieren und entsprechende Maßnahmen einleiten könnte. Es stehen, so die Idee, in bestimmten Gebieten entsprechende Kamera- und Kommunikationssysteme bereit. Wenn ein Bär identifiziert ist, wird eruiert, ob er als harmlos oder gefährlich gilt. Dann werden die zuständigen Stellen oder direkt die Betroffenen informiert. Spaziergänger können vor den Aufnahmen gewarnt werden – es ist aber auch technisch möglich, ihre Privatsphäre zu schützen. In einem Expertengespräch mit einem Vertreter von KORA konnten wichtige Erkenntnisse zur Wildtierbeobachtung und speziell zur Beobachtung von Bären gewonnen werden, und eine Umfrage hat die Haltung von Teilen der Bevölkerung in Erfahrung gebracht. Aufbauend auf der Arbeit von Ali Yürekkirmaz, die im Januar 2022 abgegeben wurde, könnte ein Algorithmus für Bären entwickelt und ein ANIFACE-System in den Alpen implementiert und evaluiert werden.
Bereits Anfang November 2021 ist der Herausgeberband „Soziale Roboter“ mit insgesamt 30 Beiträgen (das Vorwort eingerechnet) erschienen. Der Herausgeber selbst, Prof. Dr. Oliver Bendel, ist mit fünf Kapiteln vertreten, darunter „NAO meets Pluto: Zwischen Tierschutz und Tierbelästigung“. Aus dem Abstract: „Soziale Roboter können für den Umgang mit Menschen oder mit Tieren geschaffen sein. Viele Lebewesen haben soziale Beziehungen, einige sind soziale Wesen. In Robotik und Künstlicher Intelligenz lag der Fokus seit jeher auf dem Menschen. Forderungen nach einer „human-centered AI“ (weniger im technischen, eher im humanistischen Sinne verstanden) in den 2010er- und 2020er-Jahren betonen dies sogar. Aber immer mehr Roboter und auch soziale Roboter begegnen, ob dies geplant ist oder nicht, Haus-, Nutz- und Wildtieren. Diese reagieren unterschiedlich, teils interessiert, teils desinteressiert, teils lethargisch, teils panisch. Die Forschung muss sich mehr und mehr Tier-Roboter-Beziehungen zuwenden und diese zusammen mit der Praxis so gestalten, dass das Tierwohl gefördert und das Tierleid gemindert wird. Der Beitrag widmet sich sozialen Robotern, die für Tiere gedacht sind, aber auch solchen, die – aus unterschiedlichen Gründen – auf Tiere treffen und mit ihnen interagieren und kommunizieren. Zudem stellt er tierfreundliche Maschinen, die im Kontext der Maschinenethik entstanden sind, vor. In einem Diskussionsteil wird u. a. der Frage nachgegangen, welche der vorgestellten Roboter als soziale Roboter aufzufassen sind und was ihre Unterschiede in ihrem Zweck und in ihrem Verhältnis zum Tier sind.“ Das Buch kann über link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-31114-8 bezogen werden.
„Mähdrescher, die für Rehkitze bremsen. Rasenmäher, die Igel verschonen. Selbstgesteuerte Autos, die keine Tiere überfahren. Das klingt zuerst wie Science-Fiction. Doch bereits heute sind erstaunliche Dinge möglich! Mehr darüber berichtete der Ethiker und Technologie-Experte Prof. Dr. Oliver Bendel (FHNW) in seinem Vortrag.“ (Website AnimalRights) AnimalRights Switzerland, eine Tierrechtsorganisation mit Sitz in Zürich, hatte dazu eingeladen. Der Vortrag „Tierfreundliche Maschinen“ fand am 16. September 2020 per Videokonferenz statt. Oliver Bendel ging auf eigene Projekte wie ROBOCAR (Konzeption), LADYBIRD (Prototyp) und HAPPY HEDGEHOG (Prototyp) ein. Zudem stellte er andere Projekte wie Fliegender Wildretter (DLR), DTBird für Windkraftanlagen (Liquen Consultoría Ambiental) und Wildlife Vehicle Collision Avoidance System (RIT) vor. Das Video zum Vortrag kann seit Mitte Januar 2021 über animal-rights-switzerland.ch/tierfreundliche-maschinen/ abgerufen werden.
Lustiges und Ernstes war beim Auto-Motor-Sport-Kongress 2015 in Stuttgart zu vernehmen. Winfried Hermann, seines Zeichens Verkehrsminister in Baden-Württemberg, sorgte sich um sein bestes Stück: „Autonomes Fahren ist die Entmannung des deutschen Autofahrers“, sagte der grüne Politiker laut der Süddeutschen Zeitung vom 11. April 2015. Rafael Capurro, Informationsethiker, begab sich auf das Gebiet der Maschinenethik und ging auf die Moral des Autos ein, oder genauer auf die des Menschen, die auf sein bestes Stück übertragen wird. Er bemerkte laut auto-motor-sport.de, man könne die Philosophie „Ich bremse auch für Tiere“ in solch ein System einbetten. Wer sich für Fahrerassistenzsysteme und Roboterautos nicht nur mit Blick auf Menschen interessiert, sei u.a. auf die Artikel „Das Tier als Objekt der Moral der Maschine“ (Telepolis, 2014), „Fahrerassistenzsysteme aus ethischer Sicht“ (Zeitschrift für Verkehrssicherheit, 2013) und „Considerations about the Relationship between Animal and Machine Ethics“ (AI & SOCIETY) von Oliver Bendel verwiesen. Und natürlich auf seinen Beitrag „Ich bremse auch für Tiere: Überlegungen zu einfachen moralischen Maschinen“ von 2013, erschienen in der Schweizer Zeitschrift inside-it.ch.