Transhumanismus auf der Biennale

Die 17. Internationale Architekturausstellung – die gesamte Reihe, einschließlich des Kunstteils, ist unter dem Namen La Biennale di Venezia bekannt – lief vom 22. Mai bis 21. November 2021. Der Salon Suisse wurde von der Architektin und Publizistin Evelyn Steiner kuratiert. Am 18. November 2021 fand die Veranstaltung „Jethro Knights, Armor Guyver, and Mutant X: How transhumanists challenge architecture“ statt. Prof. Dr. Oliver Bendel hielt einen Vortrag zum Thema „Human and animal enhancement in the context of architecture“, gefolgt von einer Diskussion mit Mike Schaffner (einem Schweizer Cyborg) und Prof. Dr. Georg Vrachliotis (einem Architekten der TU Delft). Zunächst klärte der Informations- und Maschinenethiker zentrale Begriffe wie „Human Enhancement“, „Animal Enhancement“, „Biohacking“, „Bodyhacking“, „Cyborg“ und „Transhumanismus“. Auch seine eigenen Begriffe „Robot Enhancement“ und „Reversed Cyborg“ bzw. „Inverted Cyborg“ brachte er ein. Dann präsentierte er Beispiele für Human Enhancement und Animal Enhancement, auch im Kontext der Architektur: Katzen mit Chip, die ins Haus gelangen, Menschen mit Chip, die das Smart Home zu Anpassungen bringen, Tiere und Menschen mit Chips und Sendern, die im Straßenverkehr rechtzeitig erkannt werden, und erweiterte und verbesserte Organismen, die auf fremden Planeten leben können. Zum Schluss stellte er ethische Überlegungen an. Er zeigte sich aufgeschlossen gegenüber der Idee des Cyborgs und kritisch gegenüber der Bewegung des Transhumanismus. Das Booklet zum Salon Suisse ist hier verfügbar.

Abb.: Karneval in Venedig

 

Bodyhacking as Movement, Enhancement, and Adaptation

Im November 2021 ist „Mensch. Maschine. Kommunikation“ (Hrsg. Sarah Brommer und Christa Dürscheid) im Narr-Verlag erschienen. Die beiden Herausgeberinnen führen in „Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-Kommunikation“ in die Thematik ein. Im Teil „Mensch-Mensch-Kommunikation via Maschine“ stammen die Beiträge von Linda Bosshart („WhatsApp, iMessage und E-Mail“), Roberto Tanchis und Leonie Walder („Animojis“), Mia Jenni („Die weinende, virtuelle Influencerin“) und Florina Zülli („‚Neuer Partner‘ in den Warenkorb hinzufügen?“). Der Teil „Mensch-Maschine-Kommunikation I: Kommunikation mit Robotern“ wird bestritten von Ilona Straub („Die Mensch-Roboter-Interaktion“), Jana Seebass („Roboter als Partnerersatz“), Rahel Staubli („Vertrauen in Lio und Co.“) und Andrea Knoepfli („Mit welchen Strategien erzeugen Pflegeroboter Vertrauen?“). Der Teil „Mensch-Maschine-Kommunikation II: Kommunikation mit Assistenzsystemen“ gehört Julia Degelo („Der wütende Mann, die höfliche Frau – und die Frage nach dem Dazwischen“) sowie Ann Fuchs und Zora Naef („Smart Homes im öffentlichen Diskurs“). Abgeschlossen wird das Buch (Teil „Exkurs: Mensch. Maschine. Menschmaschine“) von Oliver Bendel mit seinem Beitrag „Chips, Devices, and Machines within Humans“. Er geht auf „Bodyhacking as Movement, Enhancement, and Adaptation“ ein. Die Publikation kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Abb.: Vielleicht ein Bodyhacker?

From Man to Machine

In September 2021, the book „Mensch. Maschine. Kommunikation.“ will be published. It is edited by Sarah Brommer and Christa Dürscheid. One chapter (by Oliver Bendel) is in English and is entitled „Chips, Devices, and Machines within Humans: Bodyhacking as Movement, Enhancement, and Adaptation“. From the abstract: „This contribution about bodyhacking as movement, enhancement, and adaptation has three purposes. First, it aims to clarify terms in this field or to draw attention to the fact that they are used differently. Second, it wants to shed light on and explore a phenomenon that has a history but is also making history at the moment. Third, it wants to bring possible fields of application into play which remain unexplored, or which lie in the future. Literature analysis and own considerations and conclusions are used. The article first defines and distinguishes ‚biohacking‘, ‚bodyhacking‘, ‚human enhancement‘, ‚animal enhancement‘, ‚cyborg‘, and ‚transhumanism‘. It then addresses selected examples of bodyhacking. The author lists typical and known applications, ordered by their different objectives. He discusses actual and potential developments, for example as a response to potential crises and disasters (including pandemics) and in the context of satellites and foreign planets. On this basis, a brief philosophical discourse takes place leading to a summary and outlook. It turns out that bodyhacking brings opportunities with it, especially for the self-determined person, who takes his or her own body as a starting point and deals responsibly with the potentials. In this way, it can break with outdated conventions and create a new view of the body and its relationship with the environment. Moreover, it promises solutions to present and future problems. Of course, it also harbours moral and health risks.“ The book is available for pre-order now.  More information via www.narr.de/mensch-maschine-kommunikation-18471-1/.

Fig.: From man to machine

Wenn Cyborgs lieben

Ende Oktober 2020 ist das Buch „Maschinenliebe“ (Hrsg. Oliver Bendel) erschienen. Es enthält 16 Beiträge international renommierter Expertinnen und Experten. Der Beitrag „Posthumane Cyborgliebe“, der von Dr. Melike Şahinol stammt, wird im Abstract so zusammengefasst: „In diesem Beitrag werden Mensch-Maschine-Verhältnisse der spezifischen Art, nämlich die der Cyborgliebe, aus einer soziologischen Perspektive diskutiert. Das Hauptaugenmerk liegt dabei darauf, die Anpassung des menschlichen Körpers an maschinelle Angebote im sexuellen Bereich aufzuzeigen. Dabei wird die technisch ver- und übermittelte Liebespraktik mit teledildonischen Maschinen fokussiert. Entsprechend sind die Fragen danach relevant, ob es sich bei der jeweiligen Anpassung um ein symbiotisches Verhältnis zwischen Mensch und Maschine handelt und ob bzw. wann man von Cyborgliebe sprechen kann. Denn auch wenn dies noch futuristisch anmutet, werden bei der Fülle und Weiterentwicklung von liebes- bzw. sexualitätsdinglichen Angeboten posthumanistische Tendenzen deutlich, die der romantischen Liebe, auf die das Konzept der Kernfamilie als zentraler Institution der Gesellschaft aufgebaut ist, den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheinen. Liebe, so lautet die Hauptthese, stellt im posthumanen Zeitalter keine bloß soziale, sondern eine sozio-bio-technische Beziehung dar – vor allem dann, wenn es sich um die Liebe zu und mit Maschinen handelt.“ Das Buch kann über Springer bezogen werden. Wer einen Zugang zu SpringerLink hat, kann es kostenlos herunterladen.

Abb.: Wenn Cyborgs lieben

Bessere Menschen?

Im Sommer 2020 erscheint das Buch „Bessere Menschen?“ (Untertitel: „Technische und ethische Fragen in der transhumanistischen Zukunft“), mit Beiträgen u.a. von Karlheinz Steinmüller, Stefan Sorgner, Tanja Kubes, Melike Şahinol und Oliver Bendel. Aus der Verlagsinformation: „Das 21. turmdersinne-Symposium beschäftigte sich mit der laut Francis Fukuyama gefährlichsten Idee der Welt. Es wurden Chancen und Gefahren der technischen Erweiterbarkeit des Menschen diskutiert. Wie wird sich die Menschheit und der einzelne Mensch in Zukunft entwickeln – insbesondere angesichts der voranschreitenden Technologisierung unseres Alltags? Wie eng arbeiten wir zukünftig mit Robotern zusammen? Tritt der Mensch bald in einen Wettstreit mit intelligenten Maschinen? Und wie verändert sich die Natur des Menschen durch den Einsatz von Implantaten und durch gentechnische Verfahren – kann es sogar zu einer Verschmelzung von Mensch und Maschine kommen?“ (Information Springer) Herausgeber sind Michael Bauer und Laura Deinzer. Der Beitrag von Oliver Bendel trägt den Titel „Das Verschmelzen von menschlicher und maschineller Moral“. Weitere Informationen über www.springer.com/gp/book/9783662615690#aboutBook.

Abb.: Bessere Menschen?

Die Freiheit des menschlichen Cyborgs

„Die Veränderung ist die Freiheit des menschlichen Cyborgs. Sein Körper gehört ihm. Allerdings könnte man ihm vorhalten, dass er zum Vorbild wird, selbst für diejenigen, die nicht mit dem Transhumanismus sympathisieren, der Ideologie des neuen Menschen, und für die das Stechen der Ohrlöcher oder das Setzen eines Piercings der bisher schwerste Eingriff war. Nun gehört zur Freiheit ebenso, gegen die allgemeine Vernunft und das eigene Wohl zu handeln. Problematisch wird es bei Kindern, die die Folgen nicht einschätzen können.“ So heißt es in einem Beitrag von Oliver Bendel für Bosch-Zünder, die legendäre Mitarbeiterzeitschrift, die es seit 1919 gibt. Erschienen ist er im März 2020 in zehn Sprachen, in deutscher, aber auch in englischer, chinesischer und japanischer. In einem Buchbeitrag, der noch 2020 publiziert wird, geht der Wirtschaftsinformatiker und Ethiker noch einen Schritt weiter und stellt die Verbindung zwischen Biohacking und Maschinenethik her. „Das Verschmelzen von menschlicher und maschineller Moral“ ist Teil des Buchs „Bessere Menschen? Technische und ethische Fragen in der transhumanistischen Zukunft“ (Springer, Berlin 2020).

Abb.: Die Freiheit des menschlichen Cyborgs

Über Superintelligenz und Supermoral

Oliver Bendel spricht am 13. Oktober 2019 beim 21. Turmdersinne-Symposium über „Das Verschmelzen von maschineller und menschlicher Moral“. Die Maschinenethik bringt moralische Maschinen hervor. Man gibt ihnen moralische Regeln vor, an die sie sich halten, oder lässt sie solche entwickeln und abändern. Was passiert, wenn der Mensch seine Verantwortung abgibt und wenn die maschinelle Moral von der menschlichen abweicht, etwa indem sie mehr Moralität aufweist oder sich zur Supermoral entwickelt (die die Schwester der Superintelligenz wäre)? Hier sind auch Informations- und Roboterethik gefragt. Das Konzept des Cyborgs ist bekannt: Ein Organismus wird mit einer technischen Struktur erweitert. Aber was ist, wenn wir mit einer moralischen Maschine verschmelzen? Verbessert sich unsere Moral oder verlieren wir diese in gewisser Hinsicht? Ein zukünftiges Konzept könnte der umgekehrte Cyborg sein: Eine technische Struktur wird mit einem Organismus oder einem Organ – etwa einem menschlichen Gehirn – angereichert. Dies könnte ein Weg sein, den Tod zu besiegen. Aber wie entfaltet sich in diesem Konstrukt die Moral? Entsteht ein moralisch neuartiger Mensch oder eine neuartige moralische Maschine? Maschinen-, Informations- und Roboterethik sind gefordert.

Abb.: Superintelligenz und Supermoral als Supergirls

Der pünktliche Cyborg

Die neue Ausgabe von apunto widmet sich Transhumanismus, Robotik, Künstlicher Intelligenz und Maschinenethik. Im Heft finden sich Interviews mit Prof. Dr. Jürgen Schmidhuber und Prof. Dr. Oliver Bendel. Thomas Feierabend, Präsident Angestellte Schweiz, schreibt in seinem Vorwort, dass es immer mehr Einsatzbereiche von Robotern gibt. „In der industriellen Produktion haben sie schon lange Einzug gehalten, sie können heute auch bereits Gäste in Hotels empfangen. Versuche in der Alterspflege sind im Gange, und selbstfahrende Busse sowie Taxis finden sich sogar in der Schweiz.“ (apunto, 4/2017) Er entwirft eine Dystopie des Cyborgs in der Arbeitswelt: „Er funktioniert dann völlig frei von Störungen und sehr effizient. Er ist programmiert auf Beginn und Ende der Erwerbsarbeit, ist nie zu spät und befolgt die Anordnungen der Vorgesetzten ohne Widerrede. Und noch schlimmer: Können betriebliche Reorganisationen dann einfach digital veranlasst werden?“ (apunto, 4/2017) Jürgen Schmidhuber und Oliver Bendel sind dann in ihren Ausführungen zu Robotern und KI etwas optimistischer. Der KI-Experte ist der Meinung, dass KI keine Menschen versklaven wird. Der Maschinenethiker ist der gleichen Meinung – und hält Roboter und KI-Systeme in erster Linie für nützliche Werkzeuge. Eine Gefahr geht seines Erachtens von Crackern aus. Das ganze Heft kann hier heruntergeladen werden.

Abb.: Ein Cyborg

Der künstlicher werdende Mensch

Human Enhancement, die Erweiterung und Verbesserung des Menschen mit Hilfe biologischer und technischer Mittel, kann aus der Perspektive der Medizin, der Künstlichen Intelligenz, der Robotik und der Informatik betrieben bzw. thematisiert werden. Verschiedene Bereichsethiken können nach Chancen und Risiken in moralischer Hinsicht fragen. Die Informationsethik ist gefordert, wenn die Entwicklung von der Informatik ausgeht. Mit ihr kann man Fragen des Datenschutzes, der informationellen und persönlichen Autonomie und der Kontrolle des Menschen mithilfe von Hacking und Manipulation beantworten. Auch die Maschinenethik ist in verschiedener Weise von Relevanz. Der Beitrag von Oliver Bendel zum Thema ist im Juli 2013 im Wirtschaftslexikon von Gabler erschienen. Er gibt eine allgemeine Übersicht, geht auf Verfahren und Methoden ein und nimmt am Ende, im Rahmen von Kritik und Ausblick, den Blickwinkel der Ethik ein: „Damit Menschen- und Tierwürde nicht verletzt und Manipulation und Instrumentalisierung von Körper bzw. Geist nicht zur unhinterfragten Norm werden, bedarf es moralischer und ethischer Diskussionen (auch aus der Wirtschaftsethik heraus) ebenso wie rechtlicher Anpassungen.“

Beautiful cyber woman

Abb.: Brillencyborg